Schreibabys

Heftiges Schreien tritt bei etwa 10 bis 30 % aller gesunden Neugeborenen in den ersten Lebenswochen auf. Ein Schreibaby hat ohne erkennbaren Grund heftige Schreiattacken und lässt sich sehr schwer beruhigen.

Als Schreibabys bezeichnet man nach Wessel Babys, die an mehr als 3 Stunden pro Tag, an mehr als 3 Tagen pro Woche und seit mehr als 3 Wochen schreien. Meist wird der Begriff erst ab einem Alter von 6 Wochen mit dieser Definition verwendet.

Natürlich weinen alle Neugeborenen und Babys. Jedes Baby hat in unterschiedlicher Ausprägung anfangs Schwierigkeiten, sich an die neuen Bedingungen in der Welt zu gewöhnen. Im Mutterbauch hatte es konstante Körpertemperatur, lag eng zusammengehalten im Fruchtwasser, die Schwerkraft spielte keine Rolle, es hatte gedämpfte Geräusche, abgedunkeltes Licht , keinen Hunger oder Ausscheidungsdrang. Die Umstellungen sind also enorm!

Auch das Verdauungssystem muss sich erst auf die Ernährung umstellen, wodurch es in den ersten Wochen manchmal auch vermehrt zu Koliken kommen kann. Gleichzeitig führt auch das starke Schreien selbst zum Schlucken von Luft, wodurch wiederum Koliken begünstigt werden können. Mittlerweile ist von der Säuglingsforschung aber geklärt, dass die Koliken nicht die Ursache der Unruhe bei Schreibabys darstellen.

Ein Baby ist oft noch nicht annähernd in der Lage mit der Regulation der neuen Anforderungen selbst zurecht zu kommen und schreit in Zuständen, wo es dafür Hilfe und Regulationsunterstützung benötigt.

Die erste Zeit mit einem Neugeborenen ist für fast alle Eltern nicht nur eine Zeit des Glücks und der Freude sondern auch eine Zeit der besonderen Anstrengung und Herausforderung. Sowohl die Eltern (vor allem bei einem ersten Baby) als auch das Baby selbst müssen sich auf die neue Situation einstellen und einander erst kennen lernen. Viele Eltern sind überrascht, dass Ihnen Ihr Neugeborenes noch fremd ist, das ist aber völlig normal. Um das Schreien eines Babys differenzieren zu lernen und herauszufinden, welches Bedürfnis das Baby gerade hat, braucht es auf Seiten der Eltern viel Geduld auch mit sich selbst und Zuversicht. Weinen und Schreien ist eine bedeutungsvolle Kommunikation, die aufgenommen und gehört werden will, was oft gar nicht so einfach ist.

Ein schreiendes Baby erzeugt in uns Erwachsenen einen enormen Stress, der schwer zu ertragen ist. Das Baby hat aber vor allem in der ersten Zeit nur dieses eine Ausdrucksmittel zur Verfügung. Es ist noch nicht in der Lage, Sinneseindrücke und Gefühlszustände alleine zu verarbeiten. Ein schreiendes Baby bringt sein ganzes Elend in einer sehr archaischen Form zum Ausdruck, das macht es für uns „Zuhörer" auch so schwer erträglich. Allerdings ist gerade das ruhige Aufnehmen des Babykummers, das Aushalten Können des Schreiens ohne selbst dabei in Panik zu geraten und der Versuch Abhilfe zu Schaffen sowohl mit tröstenden Worten als auch mit nötigen Handlungen (Stillen, Tragen, Kosen ,Wickeln...) die Voraussetzung dafür, dass das Baby nicht seinen unerträglichen Gefühlszuständen selbst überlassen bleibt. Mit der Zeit lernt das Baby über die guten tröstenden Erfahrungen mit den Bezugspersonen, die ihm beim Regulieren seiner Zustände helfen, sich auch selbst besser regulieren zu können. Die Vorstellung dass Hilfe da ist, wenn sie gebraucht wird , dass Kummer geteilt werden kann und man als Baby damit nicht alleine zurechtkommen muss ist eine Erfahrung, die in der Summe der Einzelerfahrungen aber dazu führt, dass das Baby immer weniger beim Schreien außer sich gerät beziehungsweise sich rascher wieder beruhigen kann.

So unterschiedlich und individuell Babys im Einzelnen sein mögen, gibt es doch auch allgemeine Bedürfnisse, die sich mit ."halten", „füttern" und „sauberhalten" zusammenfassen lassen:

Das Baby braucht einen sicheren Halt auf allen Ebenen.

Es muss sicher getragen werden und warm gehalten werden. In der Gebärmutter wurde es fest umschlossen gehalten, nach der Geburt müssen die Eltern diesen Halt zur Verfügung stellen. Manche Babys rutschen in einem Bettchen so lange, bis sie an der Begrenzung anstoßen. Neugeborenen kann man ein zusätzliches Nestchen der Umhüllung zur Verfügung stellen.

Babys haben eindeutig Ängste davor, auf den Boden zu fallen und müssen daher fest gehalten werden. Neben diesem handfesten Halt im wahrsten Sinne des Wortes benötigt es aber genauso, wenn nicht noch viel mehr den seelischen Halt. Es braucht die Sicherheit der verlässlichen und prompten Hilfe, wenn es danach verlangt und es braucht das „Innere Getragen werden" also einen Zustand der Bezugspersonen, in dem das Baby in Gedanken getragen werden kann, mit dem Baby geredet wird und über seine Zustände nachdacht wird, ohne dass die Bezugspersonen selbst die Fassung verliert.

Hier sei auch zu erwähnen, dass es zur Liebe dem Baby gegenüber auch gehört, dass man auf dieses manchmal auch wütend sein darf. Ein Baby kann die Eltern bis an die eigenen Grenzen fordern, da ist Wut durchaus legitim. Gestehen Sie sich diese Gefühle zu, aber handeln Sie so, dass Sie dem Baby Ihre Wut nicht zu spüren geben. Auch dieser Halt ist wichtig!

Keineswegs ist jedes Schreien mit Füttern zu beantworten. Es ist anfangs noch nicht leicht herauszufinden, ob ein Baby aus Hunger weint oder anderen Kummer hat. Das Füttern oder Stillen eines Babies kann für beide Seiten eine sehr lustvolle erfüllende Erfahrung sein. Das Baby erfährt mit dem Füttern den Rückgang seiner unerträglichen Hungergefühle und macht eine befriedigende Erfahrung. Es trinkt dabei aber nicht nur die Milch und genießt diese sondern genießt ebenso den Kontakt zur fütternden Person und die befriedigende Beziehung. Gibt es Probleme beim Füttern, ist dies für die meisten Eltern eine enorm belastende Situation, die mit großen Ängsten einher geht (vergl. Kap.Untergewicht bei Säuglingen).

Das Saubermachen eines Babies nimmt im Tagesablauf von Eltern viel Zeit in Anspruch. Das Lindern von körperlichen unangenehmen Zuständen, wenn das Baby nass, kalt oder wund ist und davon befreit wird geht mit seelischem Wohlbefinden einher. Körperliches und Seelisches ist bei Babies noch untrennbar verbunden.

Um all diese Bedingungen einem Baby zur Verfügung stellen zu können, brauchen aber auch die Eltern, und hier in der ersten Zeit besonders die Mütter (bzw. die Hauptbezugsperson) viel Halt und Unterstützung von außen. Die Geburt eines Babys bringt oft alte, längst vergessen geglaubt Probleme wieder an die Oberfläche. Aber auch akute Krisen wie ein Trauerfall, Paarkonflikte oder auch der nicht ausreichende äußere Halt durch Partner, Familie oder Freunde können dazu führen, dass die Eltern mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt sind. Dann können sie diesen Halt auch nicht in entsprechender Form dem Baby zur Verfügung stellen. Das Schreien kann dann häufig zu einer so großen Belastung der Bezugspersonen werden, dass diese auch selbst außer sich geraten können. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis.Das Baby schreit immer mehr und kann durch die Bezugspersonen immer weniger getröstet werden. Das ist für Eltern auch kränkend und ängstigend und sie fühlen sich in ihrer elterlichen Kompetenz in Frage gestellt. Nicht selten erzeugt das eine schwer kontrollierbare Wut auf das Baby, die wiederum mit Schuldgefühlen einhergeht und die Lage weiter verschlimmern kann. Im schlimmsten Falle kann es sogar zu Misshandlungen durch Schütteln oder Schlagen kommen.

Lassen Sie es nicht so weit kommen!! Holen Sie sich rechtzeitig professionelle Unterstützung in dafür vorgesehenen Einrichtungen. Viele Kinderspitäler und Beratungsstellen bieten eigene Schreiambulanzen an. Oft helfen bereits einige wenige Gespräche um eine deutliche Entlastung zu bewirken, so dass Sie als Eltern wieder Ihre elterlichen Kompetenzen zurück erlangen. Wenn das Schreien für Sie eine Belastung darstellt, auch wenn es noch nicht den Kriterien eines Schreibabys entspricht, holen Sie sich Hilfe, sobald Sie darunter leiden.

  • Regelmäßiger Tagesablauf bzw. regelmäßige Schlafenszeiten
  • Übermüdung vermeiden
  • Gleichbleibende Beruhigungsmethoden (vertraute Geräusche u/o Handlungen) einsetzen: Summen einer Melodie, Massage, Streicheln, etc.
  • Bitte holen Sie sich rechtzeitig Hilfe! Im Stress werden immer wieder Babys geschüttelt, was zu schweren Verletzungen und bleibenden gesundheitlichen Schäden des Babys führen kann.

Zentrum für Fütterungs-, Schrei- und Schlafprobleme im Wiener Wilhelminenspital
1160 Wien, Montleartstraße 37
Schreiambulanz: 01/49150-2912

Zentrum für Entwicklungsförderung, ZEF
1220 Wien, Langobardenstr. 189
Tel. 01/288 15 28

Institut für Erziehungshilfe
1220 Wien, Hirschstettner Str. 19-21/N 2. Stock
Telefon: +43 1 361 1001 800
Mail: institut22@erziehungshilfe.org

Institut für Erziehungshilfe
1110 Wien, Geystraße 2
Telefon: +43 1 361 1001 600
Mail: institut11@erziehungshilfe.org

Institut für Erziehungshilfe
1190 Wien, Heiligenstädterstraße 82/14/4-6
Telefon: +43 1 361 1001 700
Mail: institut19@erziehungshilfe.org

Institut für Erziehungshilfe
1100 Wien, Sahulkastraße 5/35/4A
Telefon: +43 1 361 1001 500
Mail: institut10@erziehungshilfe.org

Niederösterreich:

Ambulanz für Schrei- und Schlafstörungen des K.H. Mödling
2340 Mödling, Weyprechtg. 12
Tel. 022 36/2040-429

Copyright Information

Das Copyright für alle Inhalte der Website liegt bei Dr. Peter Voitl. Eine Wiedergabe ist nur nach schriftlicher Genehmigung durch Dr. Peter voitl möglich.