Herzerkrankungen im Kindesalter
Während die meisten Herzerkrankungen beim Erwachsenen durch Veränderungen der Herzkranzgefäße bestimmt sind, handelt es sich bei den Herzerkrankungen im Kindesalter überwiegend um angeborene Fehlbildungen. Unter dem Begriff „angeborene Herzfehler“ fasst man verschiedene Erkrankungen zusammen, die vor der Geburt durch eine Störung bei der Entwicklung des Herzens entstehen.
Herzfehler bei Kindern sind keine seltene Erscheinung. Im Gegenteil: Es ist die häufigste aller angeborenen „Fehlbildungen“. Etwa acht bis zehn Kinder von 1.000 Neugeborenen kommen mit einem Herzfehler zur Welt. In Österreich sind dies derzeit jährlich etwa 800 Kinder. Sieht man diese Zahlen genauer an, so zeigt sich, dass bei Totgeburten diese Häufigkeit viel höher ist, die Angaben reichen bis zu 79/1000 Geburten. Ein solcher Herzfehler kann bereits bei der Geburt offensichtlich sein, manchmal bleibt er jedoch jahrelang unbemerkt. Mittels Ultraschalluntersuchung ist es möglich, beim Ungeborenen bereits ab der 16. Schwangerschaftswoche Fehlbildungen des fötalen Herzens zu diagnostizieren. Eine verlässliche Untersuchung ist aber erst ab der 20. Schwangerschaftswoche möglich. Der Ultraschall wird in der Regel vom betreuenden Gynäkologen durchgeführt. Ein schwerer Herzfehler wird meist frühzeitig entdeckt.
Weitere Untersuchungen in spezialisierten Zentren sind dann notwendig. Nach ausführlicher Beratung und Aufklärung der Eltern wird das weitere Vorgehen festgelegt. Häufig ist jedoch erst in der Erstuntersuchung nach der Geburt ein „Herzgeräusch“ feststellbar.
Der menschliche Fötus besitzt in den ersten Lebenswochen einen Vorhof, eine Herzkammer und einen herznahen Arterienstamm. Die Ausbildung von zwei Herzteilen und zwei Kreisläufen ist dadurch möglich, weil Scheidewände die Herzhöhlen unterteilen, es kommt zu komplizierten Drehungsvorgängen. Störungen dieser fötalen Herzentwicklung sind die Ursache der angeborenen Herzfehler, wobei man den eigentlichen Grund in einem Großteil der Fälle nicht kennt. Die überwiegende Mehrzahl der angeborenen Herzfehler (ca. 80 Prozent) entsteht quasi schicksalhaft und ohne eine fassbare Ursache. Bei acht Prozent liegt ein genetischer Defekt vor. Zusätzlich können Viruserkrankungen (z.B. Rötelinfektion in der Schwangerschaft), exzessiver Alkoholkonsum und manche Medikamente in der frühen Schwangerschaft zu Herzfehlern führen. Eine Schädigung in der Schwangerschaft – zum Beispiel durch Medikamente oder Viren – ist aber selten und liegt im Bereich weniger Prozente.
Bei Herzfehlern durch schädigende Einflüsse in der Schwangerschaft stehen heute Antiepileptika im Vordergrund, etwa 1 von 300 Frauen leidet unter einer zumindest zeitweise medikationsbedürftigen Epilepsie. Das Risiko des Kindes, einen Herzfehler zu bekommen, ist um das Eineinhalbfache erhöht. Aus historischen Gründen wird an Contergan erinnert, das neben Extremitätenfehlbildungen auch Herzfehler verursacht hat. Auch Retinoide und Lithium können die Entwicklung des Herzens stören.
Einige der bekannten Ursachen sind Infektionserkrankungen während der Schwangerschaft. Man hat eine Rötelninfektion der Mutter während der ersten drei Schwangerschaftsmonate, Infektionen mit Zythomegalie-Viren und Herpes mit der Entstehung von angeborenen Herzfehlern in Verbindung gebracht. Ein Diabetes mellitus der Mutter führt in Abhängigkeit von der Stoffwechsellage zu Fehlbildungen des Föten zwischen 2 und 16 Prozent. Wichtig ist also die optimale Einstellung des Blutzuckers. Auch Stoffwechselerkrankungen, insbesondere die PKU, können in bis zu 15 Prozent zu einem Herzfehler führen.
Neben einer geistigen Behinderung, einem Minderwuchs und typischen Gesichtsdysmorphien kommt es in etwa 29 Prozent der Fälle von exzessivem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu Herzfehlbildungen. Zigarettenrauch und Drogen führen nicht zu Herzfehlern.
Zur Früherkennung ist es wichtig, die Symptome zu kennen: Manche Kinder werden unmittelbar nach der Geburt auffällig, etwa durch Zyanose (Blausucht), Atem- oder Trinkschwierigkeiten, bei anderen wird der Fehler erst im Alter von einigen Tagen oder Wochen, Monaten oder gar nach Jahren bemerkt. Manche Herzfehler gehen bereits nach der Geburt mit einer schweren Zyanose einher. Andere angeborene Herzfehler führen erst zu einem späteren Zeitpunkt im Leben zu einer meist auch schwächeren Zyanose, es gibt auch eine Gruppe von angeborenen Herzfehlern, die zu keinem Zeitpunkt eine nennenswerte Zyanose entwickeln. Hier wird deutlich, dass das enge Netz der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sehr wichtig ist und unbedingt genutzt werden sollte.
Weitere typische Symptome einer Herzerkrankung sind ein beschleunigter Herzschlag, eine auffallend angestrengte und beschleunigte Atmung, Entwicklung von Ödemen (Einlagerung von Flüssigkeit im Gewebe), schnelle Erschöpfbarkeit, Schwitzen bei geringster Belastung und schlechtes Gedeihen. Säuglinge trinken schlecht und nehmen wenig zu.
Bei vielen Kindern mit geringfügigen Fehlbildungen gibt es aber keine oder fast keine Symptome.
Der häufigste Grund einer Zuweisung an den Kinderkardiologen ist das Herzgeräusch. Gleich nach der Geburt muss sich ein Säugling an die neuen Lebensbedingungen außerhalb des Mutterleibs gewöhnen. Während dieser Umstellungsphase sind oft Geräusche zu hören, die auf einen Herzfehler hinweisen können. Manchmal bilden sich Geräusche auch erst in den ersten Lebenstagen aus. Daher ist es wichtig, nach der Erstuntersuchung die zweite Untersuchung nach einer Woche beim Kinderarzt auch tatsächlich wahrzunehmen.
Bei 33 Prozent aller Säuglinge wird in den ersten 24 Stunden ein nicht normales Herzgeräusch vermutet, innerhalb einer Woche ist dies sogar bei 70 Prozent der Fall. Innerhalb des ersten halben Lebensjahres sollte jedes Herzgeräusch verschwunden sein. Sollte im späteren Lebensalter ein Herzgeräusch von einem Kinderarzt gehört werden, so ist bei sonstiger vollkommener Gesundheit des Kindes im Allgemeinen nicht davon auszugehen, dass eine schwere Herzerkrankung vorliegt.
Meist genügt es, zum Ausschluss eines Herzfehlers ein EKG (ein Elektrokardiogramm) und eine Echokardiographie durchzuführen.
Kinder haben ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher Herzfehler. Aussagen über Prognose und Art der Therapie sind nur bei genauer Kenntnis des individuellen Herzfehlers zulässig.
Der häufigste Herzfehler (22 Prozent aller Herzfehler) ist der Ventrikelseptumdefekt (ein Loch in der Scheidewand zwischen der rechten und der linken Herzkammer). Ein kleiner Defekt im muskulären Anteil der Scheidewand kann sich mit zunehmendem Wachstum des Kindes von selbst verschließen. Ein Defekt kann auch so groß sein, dass eine akute Gefährdung des Kindes vorliegt und eine Therapie durch Medikamente allein nicht ausreicht und eine Operation erfolgen muss.
Häufige Herzfehler wie der Ventrikelseptumdefekt haben eine vergleichsweise niedrige Sterblichkeit, während seltenere komplexe Fehlbildungen mit einer gesteigerten Gefahr verbunden sind.
Die Möglichkeiten, ein Kind mit einem Herzfehler durch Medikamente allein zu heilen, sind sehr beschränkt, das Herz kann allerdings gut mit Medikamenten unterstützt werden. Die Korrektur eines Herzfehlers ist oft nur durch eine Operation möglich.
Einige häufige Herzfehler sind:
Der Kammerseptumdefekt (VSD)
Bei einem Ventrikelseptumdefekt handelt es sich um eine Kurzschlussverbindung zwischen der linken und der rechten Herzkammer. Es ist der am häufigsten auftretende angeborene Herzfehler. In 30 bis 50 Prozent der Fälle kommt es zu einem Spontanverschluss der VSD in den ersten Lebensjahren. Große VSD müssen im ersten Lebensjahr verschlossen werden. Mittlere und kleine, die beschwerdefrei sind, rechtfertigen eine zuwartende Therapie.
Der Vorhofseptumdefekt (ASD)
Der Vorhofseptumdefekt ist eine Kurzschlussverbindung zwischen dem linken und dem rechten Vorhof. Die Häufigkeit beträgt je nach wissenschaftlicher Untersuchung zwischen sechs und acht Prozent bzw. bis zehn Prozent aller angeborenen Vitien. Eine operative Korrektur im Vorschulalter ist indiziert bei einem Links-Rechts-Shunt von mehr als 30 Prozent des Körperkreislauf-Zeit-Volumens.
Erworbene Herzfehler
In ihren Auswirkungen sind angeborene und erworbene Herzfehler ähnlich. Unter den erworbenen Herzklappenfehlern stehen eindeutig die Erkrankungen der Aorten- und Mitralklappe im Vordergrund. Dank der Antibiotikaprophylaxe sind rheumatische Mitral- und Aortenklappenfehler seltener geworden. Im Rahmen von Systemerkrankungen kann es zu einer Herzbeteiligung kommen, hier wird das Ausmaß von der Grunderkrankung bestimmt.
Das Kawasaki-Syndrom
Kawasaki-Syndrom
Herzrhythmusstörungen
Bei Babys und Kleinkindern ist die Ruhefrequenz viel höher. Neugeborene haben eine Frequenz zwischen 110 und 150 Schlägen/min, Vorschulkinder zwischen 85 und 115 Schlägen/min, im Schulalter liegt die Frequenz bei 80 bis 90 Schlägen/min.
Eine Rhythmusstörung liegt bei jeder Abweichung von der normalen Herzaktivität vor. Das kann die Frequenz betreffen, aber auch die Regelmäßigkeit der Herzschlagfolge. Man muss daher verschiedene Formen von Rhythmusstörungen unterscheiden: die so genannten bradykarden Störungen, bei denen das Herz zu langsam schlägt, und die so genannten tachykarden Störungen, bei denen es zu schnell schlägt.
Einen anderen Stellenwert bekommen diese Extraschläge, wenn eine Grunderkrankung vorliegt wie etwa eine Herzmuskelentzündung nach einem grippalen Infekt.
Oft nimmt man erste Anzeichen gar nicht wahr. Herzstolpern wird erst bei mehreren Extraschlägen hintereinander bemerkt. Phasen von Herzrasen werden oft ignoriert und leicht mit körperlicher Anstrengung in Zusammenhang gebracht. Sie fallen erst richtig bei längeren und sehr schnellen Frequenzphasen auf, besonders, wenn gleichzeitig ein unregelmäßiger Herzschlag besteht.
Übelkeit, Schwindel oder Druckgefühl über der Brust können erste Anzeichen einer Rhythmusstörung sein; seltener treten Ohnmachtsanfälle auf. In den meisten Fällen ist eine medikamentöse Behandlung ausreichend.
Diagnose
Das genaue Abhören der Herztöne durch den betreuenden Kinderarzt ist nach wie vor von größter Bedeutung. Der Kinderkardiologe ist mit seinen Spezialkenntnissen und den ihm zur Verfügung stehenden diagnostischen Hilfsmitteln wie Elektrokardiographie, Echokardiographie, gelegentlich auch Röntgen- oder Laboruntersuchung, fast immer in der Lage zu entscheiden, ob eine Erkrankung vorliegt oder nicht. Liegt eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vor, so hängt das weitere Vorgehen von der Art und der Schwere der Erkrankung ab.
Das EKG
Ein Elektrokardiogramm zeichnet elektrische Vorgänge des Herzens auf. Es kann Herzrhythmusstörungen erfassen und Anhaltspunkte zur Ernsthaftigkeit der Erkrankung, zu Gefahren und zu Therapien geben. Das EKG ist allerdings nicht empfindlich genug, um alle bedeutenden Herzerkrankungen zu erfassen. Das normale Ruhe-EKG ist also zur Erkennung einiger Fälle von Herzerkrankungen geeignet.
Das Langzeit-EKG
Beim Langzeit-EKG werden Elektroden am Brustkorb aufgeklebt. Die Elektroden werden mit Kabeln verbunden, die zu einem kleinen Kästchen in der Größe eines Walkmans führen, das bequem an einem Gürtel getragen werden kann. Die Aufzeichnung des EKG erfolgt über 24 Stunden.
Belastungs-EKG
Viele Störungen von Herz und Kreislauf treten nicht im Ruhezustand, sondern erst unter körperlicher Belastung auf. Beim Belastungs-EKG verwendet man in der Regel ein Fahrradergometer, wobei die Belastung für den Patienten gesteigert wird. Der Patient ist während der Belastung an einen EKG-Monitor angeschlossen und trägt eine Blutdruckmanschette.
Röntgenuntersuchung des Brustkorbes
Mit einem Röntgen des Brustkorbs können die Größe der Herzhöhlen, der Hauptschlagader sowie der Zustand der Lunge ermittelt werden. Röntgenbilder des Brustkorbs eignen sich gut, um Abnormalitäten der Lunge festzustellen.
Echokardiographie
Das Echokardiogramm liefert genaue und wertvolle Informationen über die Größe der vier Herzhöhlen und über Klappenfehler sowie Abnormalitäten bei der Herzkontraktion. Bei der Echokardiographie kann man auch Richtung und Geschwindigkeit des Blutes feststellen. Es ist jedoch bei beiden Untersuchungen notwendig, dass der Säugling/das Kind möglichst ruhig liegt. Eine Echokardiographie verursacht keine Schmerzen und es sind keine Gefahren damit verbunden.
Herzkatheteruntersuchung
Eine Herzkatheteruntersuchung kann nur in einem spezialisierten Zentrum durchgeführt werden und ist meist nur bei schweren, komplizierten Herzfehlern notwendig. Über eine große Vene oder Arterie in der Leiste wird ein Plastikschlauch (Katheter) bis zum Herz vorgeschoben. So können verschiedene Blutdrücke und die Sauerstoffkonzentration gemessen werden. Außerdem wird über den Katheter ein Kontrastmittel gespritzt, um eine genaue Abbildung des Herzens und der Lunge zu erhalten.
Das Wiederholungsrisiko
Haben Eltern bereits ein Kind mit Herzfehler, so steigt das Risiko, ein weiteres Kind mit Herzfehler zu bekommen, auf zwei bis fünf Prozent an, ist also immer noch sehr gering. Eine in der 18. bis 22. Schwangerschaftswoche durchzuführende fötale Herzultraschalluntersuchung kann bereits gravierende Herzfehler ausschließen oder erkennen. Genetische Untersuchungen können manchmal gute Aufschlüsse darüber geben, ob in einer weiteren Schwangerschaft ein erhöhtes Wiederholungsrisiko besteht oder nicht.
Die bakterielle Endokarditis ist eine Entzündung der Herzinnenhaut vor allem an den Herzklappen. Ausgangspunkt dieser Entzündung ist in der Regel eine Schädigung des betroffenen Bereiches in Zusammenhang mit bestimmten Bakterien. Genaue Zahnhygiene ist wichtig, ebenso eine Antibiotikagabe vor Eingriffen im Mund-, Hals-, Nasen- und Ohrenbereich, im Magen-Darm-Trakt, im Harn- und Genitalbereich.
Die meisten angeborenen Herzfehler lassen sich nicht verhindern. Regelmäßige Mutter-Kind-Pass-Kontrollen, eine Rötelnimpfung der Mutter drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft, die Vermeidung von Medikamenten, Strahleneinwirkung und Alkohol während der Schwangerschaft, eventuell eine genetische Beratung und die entsprechende Wahl der Entbindungsklinik bei präpartaler Diagnose sind als sinnvolle Vorbeugung anzusehen.
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