Das vierte bis sechste Lebensjahr
Zwischen dem 4. Und 6. Lebensjahr entwickeln sich die Kinder vom Kindergartenkind zum Schulkind.
Die folgende Zusammenfassung soll einen Überblick über diese wichtige Zeit im Leben ihres Kindes vermitteln. Bitte bedenken Sie, dass jedes Kind anders ist und sich Kinder unterschiedlich Entwickeln. Bei größeren Abweichungen sollten Sie Ihren Kinderarzt zu einer Entwicklungskontrolle aufsuchen.
Das vierjährige Kind entwickelt bereits ein Zeitverständnis und auch ein autobiographisches Gedächtnis. Es versteht, dass verschiedene Menschen ein und dieselbe Sache aus verschiedenen Perspektiven sehen können.
Sprachlich kann das Kind grammatikalisch richtige Fragen stellen und Sätze aus 5 bis 6 Wörtern bilden. Es kann nun kooperieren, teilen und schenken. Die Sauberkeitsentwicklung ist bei zahlreichen Kindern im Wesentlichen abgeschlossen, auch wenn es gelegentlich noch zu kleinen Missgeschicken kommen kann.
Rollenspiele sind nun neben neuen Wettbewerbsspielen sehr beliebt. Erste Freundschaften entstehen.
In den Vater-Mutter-Kind-Spielen setzen sie sich spielerisch mit der Identifizierung mit den Erwachsenen, vorzugsweise des eigenen Geschlechts, aber auch anderen Rollen auseinander.
Mit vier Jahren beginnen Märchen interessant zu werden. Die magisch bewegte Welt wird immer bedeutsamer. Nun kreisen die Phantasien der Kinder um ihre Liebe zum gegengeschlechtlichen Elternteil. " Wenn ich groß bin, heirate ich meine Mami/ meinen Papi", sind Aussagen, die viele Eltern kennen. Mit diesen sehnsuchtsvollen Wünschen sind aber auch die damit verbundenen Ängste vor der Rache oder Strafe des anderen Elternteils verbunden. Viele Eltern schmelzen verständlicherweise bei den Liebesbezeugungen der Kinder dahin. Steigen Sie aber nicht auf die häufigen Wünsche ein, im Elternbett zu schlafen. Sie verstärken sonst zeitgleich auch die Ängste ihres Kindes vor dem jeweils anderen Elternteil.
Ängste vor Hexen und Zauberern und Riesen sind nun häufig. Phantasiegeschichten dürfen nicht mit Lügengeschichten verwechselt werden. Zunehmend beginnt sich ein Gewissen zu entwickeln, das nicht mehr die ständige Anwesenheit der Erwachsenen benötigt. Abgeschlossen wird diese Entwicklung aber erst etwa mit Schuleintritt sein. Die Kinder beginnen sich nun auch zu interessieren, woher die Babys kommen, und woher sie selbst kommen. Nun ist der richtige Zeitpunkt, für diese Fragen hellhörig zu sein und mit den Kindern Aufklärungsbücher für das entsprechende Alter anzusehen. Pflege- oder Adoptivkinder sollten spätestens jetzt (sofern dies nicht ohnehin bereits ein laufendes Thema war) über ihre Entstehungsgeschichte aufgeklärt werden.
Das Kind kann nun komplexe Geschichten erzählen und verfügt über einen Wortschatz von etwa 8000 Wörtern. Es versteht, dass sich eigene Gedanken und Gefühle von denen andere Menschen unterscheiden. Die motorische Betätigung macht meist viel Freude und es werden neue Fertigkeiten erlernt, wie beispielsweise Radfahren mit Stutzen und Schwimmen mit Schwimmbehelfen, Eislaufen oder Schifahren. Die Altersgrenzen hierfür sind aber doch recht unterschiedlich. Unterstützen Sie diese freudvollen körperlichen Tätigkeiten, aber üben Sie keinen Druck aus.
Mit Fünf Jahren sind Freundschaften bereits sehr wichtig und die Kinder möchten anderen Kindern auch gefallen. Sie lernen auch andere Ansichten kennen. Es besteht ein inneres Konzept von "Gut" und "Böse", die Gewissensbildung ist im Gange. Die wesentlichen Themen, die beim Vierjährigen beschrieben sind, sind weiterhin aktuell. Die magische Märchenwelt ist noch nicht aufgegeben und die Liebesbeteuerungen dem jeweils gegengeschlechtlichem Elternteil gegenüber ebenfalls noch nicht.
In dieser Zeit kommen die Kinder in die Schule und es ist ein Quantensprung in der Entwicklung geschehen.
Motorisch sind sie nun bereits meist recht autonom, können ohne Stützen Fahrrad fahren, Rollschuh oder Schlittschuh laufen und Fußballspielen. Ein Körperwandel vollzieht sich im Sinnen eines Längenwachstums und beginnenden Zahnwechsels.
Das Kind gebraucht die Sprache weitgehend korrekt und kommuniziert erfolgreich, ohne über die Sprache reflektieren zu müssen.
Die magische Märchenwelt wird nun verlassen und das Kind kann zunehmend zwischen Schein und Wirklichkeit trennen, versteht etwa Verkleidungen, ohne sie für echt zu halten (z.B.: Nikolo). Die Zuneigung zum gegengeschlechtlichen Elternteil wird aufgegeben und ein stabiles Gewissen entsteht. In Zusammenhang damit bildet sich auch die Geschlechtsidentität aus (nach der Vorform mit etwa eineinhalb Jahren), indem das Mädchen wie die Mama, der Bub wie der Papa sein will und sich mit den gleichgeschlechtlichen Elternteilen identifiziert. Diese Rollen hat es die letzten Jahre immer wieder spielerisch ausprobiert. Die Beschäftigung mit der Märchenwelt weicht dem großen Sachinteresse für die reale Welt, womit es auch eine Schulreife erlangt. Die Ausdauer ist ebenfalls höher geworden und es ist in der Lage, seine Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Toilette, Spielen, Plaudern, hinten anzustellen und warten zu können. Die Merkfähigkeit wächst nun langsam, ebenso die Kreativität. Das Kind organisiert Gruppenspiele und versucht auch Konflikte zu lösen. Lehrer und Mitschüler werden neue wichtige Bezugspersonen.
Wenn einige der beschriebenen Themen und Entwicklungsschritte mit Schuleintritt noch nicht ausreichend bewältigt sind, ist keine ausreichende Schulreife gegeben und die Kinder tun sich sehr schwer. Manchmal benötigen sie einfach noch Zeit (Vorschulklassen, sofern vorhanden, können hilfreich sein), manchmal sind sie von emotionalen Konflikten blockiert und benötigen psychotherapeutische Unterstützung, manchmal benötigen sie Förderung auf verschiedenen Gebieten ( z,B.: Ergotherapie, Logopädie, etc).